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Schiefe Klänge unterm Baum

Von Andrea Früauff

Meine Mutter war sehr musikalisch und hat gern mit uns Kindern gesungen. Daher kenne ich viele Volkslieder und auch mein Repertoire an traditionellen Weihnachtsliedern kann sich hören lassen. Ein Instrument habe ich leider nie gelernt. Für mehr als ein paar Melodien wie den „Flohwalzer“ oder „Für Elise“ auf dem Klavier oder die einfachsten Gitarrengriffen hat es nicht gereicht.
Aber die Stimme ist ja auch eine Art Instrument. In der Schule gab es im Fach Musik sogar Noten aufs Vorsingen. Da konnte ich glänzen. Und die zweistimmige Version von „Es kommt ein Schiff geladen“ haben meine Mutter ich auf Kassette aufgenommen und in einem Weihnachtspäckchen an die Omas geschickt. Beide waren begeistert.

Auch mit meinen eigenen Kindern habe ich immer viel gesungen. Als ich aber neulich meiner Enkelin etwas vorsingen wollte, bat sie gequält: „Oma, bitte hör auf!““ Das hat mich dann doch ein bisschen gekränkt. Immerhin habe ich über zehn Jahre im Chor gesungen. Da hat sich niemand beschwert. Nur, dass ich bis heute keine Noten lesen kann, war etwas hinderlich.

Aber ein bisschen verstehen kann ich sie doch. Ich hatte ein ähnliches Erlebnis. In schönster Kindheitserinnerung an unsere weihnachtlichen Gesänge unter Baum wollte ich dieses Ritual auch in meiner Familie einführen. Unsere neunjährige Tochter spielte Flöte, der Opa begleitete sie auf dem Akkordeon. Für den Rest der Familie habe ich die Texte in großer Schrift kopiert und ausgeteilt: „Oh Tannenbaum“, „Alle Jahre wieder“, „Ihr Kinderlein, kommet“…

Doch als wir anfingen, traute ich meinen Ohren nicht. Dass man mal einen Ton nicht genau trifft, kommt in den besten Familien vor. Aber wie man soooo falsch singen kann, ohne es zu merken, ist mir ein Rätsel. Am liebsten hätte ich da auch gesagt: „Oma, bitte hör auf!“ Aber wir brachten das Ganze noch würdevoll zu Ende und redeten nicht mehr drüber.
Seitdem singe ich in der Adventszeit lieber ganz alleine vor mich hin und unterm Weihnachtsbaum läuft eine CD.

Schöne Weihnachten wünscht

Andrea Früauff