
Irgendwas ist anders. Irgendwas fehlt. Als wir morgens kurz nach 7 Uhr zwischen Kaffeemaschine und Badezimmer aneinander vorbeischlurfen, meint mein Jüngster: „Schon komisch, dass mein Bruder jetzt gar nicht mehr zur Schule geht!“ Das stimmt. Einer weniger, der sein Ladekabel, seine Schuhe oder sonst was sucht. Keiner mehr, der auf den letzten Drücker zum Bus rennt. Es ist morgens ruhiger geworden bei uns.
Die Zeit, nachdem das Abitur geschafft ist und das „Danach“ noch nicht richtig begonnen hat, ist eine seltsame Zeit. Mein Ältester genießt es, schläft lange aus, ist viel unterwegs mit seinen Freunden, kocht sich mitten in der Nacht Nudeln und genießt das Nichtstun. Ich dagegen verspüre eine gewisse Unruhe – vor allem deshalb, weil er noch nicht so genau weiß, wie es nun weitergehen soll für ihn. Weshalb ich ihn immer wieder aufmerksam mache auf Schnuppertage in der Uni, nachfrage, was seine Freunde denn so vorhaben, ihm erzähle, wie wir damals erst mal auf Reisen gegangen sind …und…und…und… Kurzum: Ich gehe ihm wohl ganz schön auf die Nerven.
Und mal ehrlich: Wie war das denn, als wir Abi gemacht haben? Die wenigsten hatten damals einen Plan. Einige sind mit dem Interrail-Ticket durch Europa gefahren, die Jungs haben dann erst mal Zivildienst gemacht oder gingen zur Bundeswehr, wir haben gejobbt, ein bisschen Geld verdient, manche haben dann eine Lehre angefangen, einige sind an die Uni gegangen. Die Wege von vielen, mit denen wir die letzten Schuljahre verbracht haben, haben sich geteilt.
Drum sage ich mir: Das Beste ist, er genießt diese Zeit. Denn so lange ist sie im Nachhinein betrachtet nicht. Auch wenn er die Augen rollt, wenn ich mit meinen Vorschlägen komme – ich merke, er macht sich viele Gedanken, bespricht sich mit seinen Freunden und überlegt, wohin es für ihn hingehen könnte. Wie neulich: „Übrigens, ich habe mich für ein FSJ beworben.“ Echt? Hab‘ ich gar nicht mitgekriegt. Stolz las er mir die Bewerbung vor. Es klang klasse – und sehr motiviert. Drum versuch ich einfach mal, mir seinen Ratschlag zu Herzen zu nehmen: „Mama, jetzt chill‘ doch mal!“
Geduldige Grüße