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Ein Mann als Bundeskanzlerin

Von Kerstin Petry

Portrait Kerstin Petry

Über kaum ein Thema wird in Deutschland so leidenschaftlich und ausdauernd diskutiert wie über das Gendern. Dabei sind diejenigen, die sich zum Gendern äußern, in der Regel Erwachsene und somit Menschen, die sich umstellen und an etwas Neues gewöhnen müssen. An ein Sternchen im Schriftbild etwa oder längere Sätze, weil man zur männlichen auch noch die weibliche Form nennt. Das ist für viele Erwachsene ein Aufreger, sie sprechen vom Gender-Wahn, den es zu verhindern gilt. Andere finden das Gendern extrem wichtig.
Aber wie ist das eigentlich mit den Kindern, denjenigen also, die mit dieser Art zu sprechen und zu schreiben aufwachsen? Den Gender Natives, sozusagen. Wenn ich aus meinem persönlichen Familien-Nähkästchen plaudere, ist die Antwort recht klar: Die Kinder haben das Gendern längst verinnerlicht und legen auch Wert darauf. Nicht selten werde ich von meiner Tochter verbessert. „Mama, das war nicht mein Lehrer, das war meine Lehrerin!“, sagt sie dann empört, denn bei dem Wort Lehrer hat sie einen Mann im Kopf.
Es wird ja tatsächlich viel diskutiert, ob Sprache die Wahrnehmung und das Bewusstsein so prägt, dass Mädchen, die öfter das Wort Elektronikerin oder Astronautin hören, eher in Betracht ziehen, diese Berufe auch zu ergreifen, als wenn immer nur die männliche Form genannt wird. Lustigerweise habe ich die Erfahrung in die andere Richtung gemacht. So hat mir mein Sohn vor ein paar Jahren mal die Frage gestellt: „Sag mal, Mama, kann eigentlich auch ein Mann Bundeskanzlerin werden?“ Klar, für die junge Generation gab es zu dieser Zeit schon immer eine Bundeskanzlerin. Da kann man als Junge doch mal fragen, ob auch Männer diesen Job rein theoretisch ausüben könnten – dass man dann entsprechend auch die männliche Form verwendet, und Bundeskanzler sagt, kam ihm dabei nicht in den Sinn. Mit der Wahl von Bundeskanzler*in Olaf Scholz hat sich die Frage für ihn auch erst einmal erledigt. Für junge Mädchen dürfte nach der Ära Angela Merkel aber durchaus die Möglichkeit im Kopf verankert sein: ein Land regieren? Könnte ich. Und das finde ich ziemlich gut.
Wie ist das eigentlich bei euch in der Familie? Ist das Gendern bei euch ein Thema und redet ihr mit euren Kindern darüber?

Ganz herzliche Grüße von eurer Redakteurin

Kerstin Petry