
Erste Stunde – fällt aus. Erdkunde Vertretung, 4. und 5. Stunde Sport, in der 6. Stunde Chemie Vertretung – ein typischer Schultag meines Sohnes, 9. Klasse Gymnasium. Ist ja schön für ihn, dass er öfter mal ausschlafen kann und genug Zeit bekommt, um sich zwischen den harten Unterrichtseinheiten zu erholen. Aber eine Frage sei erlaubt: Wann lernen die eigentlich was?
Sie finden, ich übertreibe? Ich sage: Massiver Unterrichtsausfall gehört längst zum Schulalltag. Dafür können die Lehrkräfte am wenigsten etwas. Jeder wird mal krank und Seminare sind wichtig. Das Problem liegt eine Schicht tiefer. Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft hat ermittelt: Im Schuljahr 2025/2026 werden in Deutschland voraussichtlich 35.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen – fünf Jahre später schon 68.000 und 2035/2036 sogar 76.000! Ganz schön düstere Aussichten.
Um dem Mangel kurz- und mittelfristig entgegenzuwirken, wird es nicht ausreichen, mehr Menschen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen. Vielmehr müssen auch Quereinsteiger gefördert und das Lehramt muss finanziell attraktiver gemacht werden. Eine interessante Idee dazu hatte auch Ludwig Thiede: Mit seinem sozialen Unternehmen „LifeTeachUs“ will er Ausfallstunden mit lebenspraktischem Unterricht füllen. Ehrenamtliche erzählen den Schülerinnen und Schülern online per Videoanruf oder vor Ort aus ihrem Berufsalltag und von ihren Lebenserfahrungen. LifeTeacher sind Personen aus allen Bereichen des Lebens, ob in der Ausbildung, im Studium, im Job oder schon im Ruhestand. Allesamt geprüft, zertifiziert und motiviert.
Ein Konto eröffnen oder eine Versicherung abschließen, gute Entscheidungen treffen, Konflikte lösen oder vernünftige Diskussionen führen – alles Dinge, die einen mehr auf die Welt da draußen vorbereiten als der Satz des Pythagoras (auch wenn der natürlich auch wichtig ist…). Und wenn mein Kind in einer Freistunde lernen würde, wie es mir die Steuererklärung machen kann, hätte ich auch nichts dagegen.
Lehrreiche Grüße

