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Fernsehen schauen 2.0

Von Nicole Hauger

Portrait Nicole Hauger

Am 22. November 1959 hatte das Sandmännchen seinen ersten Auftritt auf ostdeutschen Bildschirmen. Und zwar um 18.55 Uhr, keine Minute früher und keine später. Das ist bis heute so und wird vermutlich noch für viele Drei- bis Sechsjährigen so bleiben. Ein Anker im familiären Abendprogramm. Nun sind meine Kinder diesem festen Zeitkorsett längst entwachsen und ich muss zugeben, ich blicke sehnsüchtig zurück auf die Zeit, in der man überhaupt noch fernsah! Ich vermisse die guten alten vor-Netflix-Zeiten, ich vermisse Phineas und Ferb (Perry das Schnabeltier ist einfach zum Schreien komisch), sogar Captain Underpants oder auch Miraculous würde ich mir liebend gerne nochmal mitansehen – die Geschichten von Ladybug und Cat Noir sind zwar hanebüchen, aber dabei kann man wunderbar kurz mal die Füße hochlegen und abschalten.

Das ist bei schreienden Pubertierenden, die völlig ausflippen, wenn sie ein belangloses Videospiel vergeigt haben, schon schwieriger. Nachdem die Streamingdienste die öffentlich-rechtlichen Sender abgelöst hatten, sind wir nun beim abendlichen Medienkonsum noch einen Schritt weiter. Die Kids schauen nämlich nur noch YouTube und am liebsten anderen Möchtegernkindern beim Zocken zu. Das ist für Erwachsene wirklich nur schwer nachvollziehbare Kost. Vermutlich ist das ein weiterer wichtiger Schritt im Abnabelungsprozess von den Eltern. Denn dabei gemütlich daneben zu sitzen, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Nun kann ich natürlich in der Zeit, in der die Kinder glotzen, auch andere Dinge erledigen – die Spülmaschine ausräumen, Wäsche zusammenlegen, Blumen gießen… da fällt mir immer irgendetwas ein. Aber schade ist es schon.

Das Neueste sind sogenannte YouTube Shorts – laienhafte Kurzvideos mit maximal 60 Sekunden, bei deren Inhalt mit Sicherheit Gehirnzellen aktiv abgetötet werden. Sie spüren – ich bin mit dieser Form des Medienkonsums im Grunde nicht ganz einverstanden. Aber sollte man etwas verbieten, nur weil man es selbst doof findet? Was lustig ist: Hin und wieder gucken wir noch  „Die Sendung mit der Maus“, und zwar ganz old school Sonntagmorgens – vielleicht ist doch noch nicht alles verloren.

Es grüßt Sie ganz herzlich

Nicole Hauger