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Es sind doch nur graue Haare!

Von Nina Jakobs

Noch vor wenigen Jahren hätte ich es für ausgeschlossen gehalten, dass ich mir irgendwann einmal Anti-Aging-Creme ins Gesicht schmieren oder mir überhaupt Gedanken übers äußerlich sichtbare Altern machen würde. Ich war immer der Meinung: Das ist doch bloß Geldmacherei, bringt ohnehin nichts und altern ist doch außerdem völlig normal. Aber was soll ich sagen: Ein paar Jahre, zwei kleine Kinder und ein paar Hundert graue Haare später habe ich mir so viele unterschiedliche Kosmetikprodukte gekauft, wie in meinem gesamten Leben noch nicht (im Vergleich zu anderen ganz sicher immer noch wenige, aber dennoch!) und denke vor jedem Friseurbesuch darüber nach, ob ich mir dieses Mal die grauen Haare überfärben lasse.

Dass ich es bisher nicht gemacht habe, liegt neben der Tatsache, dass es unglaublich ins Geld geht, daran, dass ich mich ernsthaft frage, warum ich das eigentlich will. Ist es wirklich so, dass ich mir nicht mehr gefalle, wenn ich in den Spiegel gucke und ein paar graue Haare sehe? Oder mache ich mir eigentlich bloß Gedanken darüber, was andere dann sehen? Die erschöpfte Mutter? Die nicht-mehr-Mitte-20-Jährige, die ich einmal war? Denn ehrlich gesagt: Bei Männern finde ich es in der Regel ziemlich sexy, wenn die Haare an den Seiten grau werden, ich finde irgendwie, das sieht gut aus und denke nicht, Mannomann ist der aber alt geworden! Warum lege ich da bei mir und, zugegeben, auch bei anderen Frauen ein anderes Maß an?

Die Antwort ist ziemlich naheliegend: weil ich so sozialisiert worden bin. Es entspricht dem Bild von weiblicher Ästhetik und Schönheit, dass frau sich eben die Haare färbt und auch sonst allerlei Anstrengungen unternimmt, um möglichst jung und frisch auszusehen, zumindest bis man ein Alter erreicht hat, in dem man dann wirklich wie eine Oma aussehen darf. Wie tief das sitzt, ist mir in folgender Situation klar geworden: Mit dem Vater eines Kita-Freundes meines Sohnes kam ich neulich auf das Thema graue Haare und er erzählte mir von einem Gespräch mit seiner Frau übers Haarefärben. Er habe dann als Argument gegen das Färben gesagt: „Guck doch mal bei Nina, das sieht so gut aus mit den grauen Haaren!“ Und anstatt mich über dieses Kompliment zu freuen, war mein erster Gedanke: „Oh Gott, so offensichtlich ist das, dass sich sogar schon andere Menschen über meine grauen Haare unterhalten?“

Ich will gar nicht ausschließen, dass ich mir die Haare irgendwann einmal färben lasse. Aber erst dann, wenn ich in den Spiegel schaue und ganz sicher bin, dass es MIR nicht mehr gefällt.