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Eine Pizza wie eine Umarmung

Von Nina Jakobs

Portrait Nina Jakobs

Einige der schönsten Erinnerungen aus meiner Kindheit sind kleine Rituale, die wir in der Familie hatten. Oft nur einfache Dinge, die Teil des Alltags waren und Außenstehenden gar nicht als etwas Besonderes auffallen würden. Für mich aber waren sie kleine Inseln in meinem Kinder- und auch Jugendleben, allesamt mit einem bestimmten Gefühl verbunden. Freitags zum Beispiel, wenn meine Mutter den Wocheneinkauf machte, brachte sie oft vom Bäcker Streuselkuchen oder Hefezopf mit. Immer nur freitags, immer diese beiden Kuchen. Es war ein Gefühl von Wochenende, von Rucksack in die Ecke werfen und nach Hause kommen, von Nichts-tun-dürfen, wenn man diesen Kuchen aß. Ein Freitagsgefühl, wie ich es schöner selbst in meinen Endlich-Wochenende-Studienzeiten nicht hinbekommen habe.

Als mein Bruder zur Welt kam, waren meine Schwester elf und ich zehn Jahre alt. Er musste, nach nur wenigen Tagen zu Hause, mit meiner Mutter noch einmal ins Krankenhaus. Wir waren darüber sehr traurig und verunsichert, was jetzt mit diesem winzigen Wesen passiert. Mein Vater sorgte zu Hause für Ablenkung, auch wenn er sich ganz sicher selbst Sorgen gemacht hat. An einem Abend machten wir gemeinsam Pizza, auch den Teig und die Luftblasen auf dem Blech, die eigentlich ein Zeichen für gelungenen Hefeteig sind, wie ich heute weiß, zerstach mein Vater und flickte sie mit Teigstücken vom Rand. Wir fanden das unglaublich witzig und nie wieder hat etwas so gut geschmeckt, wie diese selbstgemachte Pizza an diesem Abend. Es war ein Samstag, im Fernsehen lief „Wetten, dass…?“ und wir durften die Pizza auf der Couch vor dem Fernseher essen. Noch Jahre später, auch als mein Bruder schon viel größer war, haben wir, wann immer „Wetten, dass…?“ kam, Pizza gebacken und vorm Fernseher gegessen (wir haben sonst nie auf der Couch gegessen) und es wurde für uns alle, eins der liebsten Rituale.

Jetzt, für meine Kinder, wünsche ich mir diese besonderen Momente im Alltag, dieses Gefühl, das mich bei Kuchen und Pizza jedes Mal umarmt hat. Aber sie entstehen mit der Zeit von selbst, diese Rituale. So wie neulich, als mein Sohn im Campingurlaub vorschlug, einen Abendspaziergang zu machen, weil er noch nicht ins Bett gehen wollte. Wir liefen über den Campingplatz, den Spielplatz, aufs Feld und sahen den Sonnenuntergang – er bestimmte, wo es langging. Zu Hause haben wir den Abendspaziergang beibehalten und drehen hin und wieder eine Runde am Rhein, alle laufen, keiner will getragen werden und selbst nach stressigen und fordernden Tagen bringen uns diese kleinen Alltagsinseln ein wenig Ruhe.