
Ich sitze hier und blättere durch ein ganz besonderes Buch. Darin gibt es unheimlich viele Rechtschreibfehler, aber auch ganz herzwärmende Sätze und Worte. „Es hat die Sonne geschin“, steht dort, „ich bin dankbar dafür, dass ich da bin“ oder „wir haben Fusball geschpielt und ich habe jeden Ball gehalten.“ Vor vier Jahren habe ich meiner heute 11-jährigen Tochter ein Dankbarkeitstagebuch geschenkt. Hierin kann man jeden Tag eine Seite ausfüllen und aufschreiben oder malen, wofür man dankbar ist, was man erlebt und worüber man sich gefreut hat. Eine tolle Erinnerung, die aber auch in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen ist.
Tatsächlich ist das Positivtagebuch ein klassisches Instrument aus der Verhaltenstherapie und keineswegs nur für Kinder geeignet. Nein, es kann auch Erwachsenen dabei helfen, den Blick auf die schönen Momente eines Tages zu legen und damit das Erleben und die Stimmung nachhaltig zu verbessern. Denn unser Hirn ist evolutionär so verdrahtet, dass es den Fokus mehr auf das Negative legt. Das macht erst mal Sinn, denn der Urmensch war jeder Menge realer Gefahren ausgesetzt, auf die er blitzschnell reagieren musste. Das hat uns geprägt und noch heute arbeitet unser Gehirn so, dass es Gefahr und Negatives schneller wahrnimmt als das Schöne. Dauerstress, Schicksalsschläge, schlechte Nachrichten über Kriege, Krankheiten oder Naturkatastrophen: Das alles lenkt den Fokus auf das Negative und kann krank machen. Denn unser Nervensystem ist dauerhaft angespannt. Dagegen hilft das bewusste Fokussieren auf die schönen Dinge.
Probieren Sie es doch gleich einmal aus: Besorgen Sie sich ein Positivtagebuch (davon gibt es jede Menge. Ich kann das „6-Minuten-Tagebuch für Erwachsene“ empfehlen), oder legen Sie sich einfach ein leeres Schreibheft zu und nehmen sich jeden Abend ein paar Minuten Zeit. Überlegen Sie, was Sie an diesem Tag Schönes erlebt haben und notieren Sie mindestens drei Dinge. Jeder noch so kleine Mini-Moment zählt. Meine Tochter hat mir da sehr geholfen, das Schöne im Kleinen zu sehen: Sie hat notiert, dass es am Morgen Raureif gab, und dass sie sich verkleidet hat, dass die Oma da war oder dass sie zum ersten Mal mit ihrer neuen Freundin zur Schule gelaufen ist.
Studien zeigen, dass die Verfasser eines Dankbarkeitstagebuchs schon nach wenigen Wochen messbar zufriedener waren. Na dann, nichts wie ran ans Glück!