
Als ich ein Kind war, sind wir jeden Sommer ans Meer gefahren. Dort habe ich schwimmen gelernt, gemeinsam mit meiner Schwester, mein Vater hat es uns beigebracht. Das Salzwasser trägt euch, da ist es ganz leicht, hat er immer gesagt. Für mich war es völlig normal, dass meine Eltern uns das Schwimmen beibrachten, so war es bei all meinen Freunden. Und an dieses Lernen habe ich heute keine besonders starken, aber unterschwellig doch gute Erinnerungen.
Heute scheint das jedoch nicht mehr üblich zu sein und ich muss zugeben, dass ich mich darüber ein bisschen wundere. Als mein Sohn vier Jahre alt war, begannen überall in unserem Umfeld Eltern ihre Kinder zu Schwimmkursen anzumelden. Zu Schwimmkursen wohlgemerkt, von deren Gebühr man locker ein verlängertes Wochenende Urlaub machen kann und zu denen man erst Zugang erhält, wenn man mindestens zwei Jahre auf der Warteliste gestanden hat. Habt ihr euch schon auf eine Warteliste setzen lassen?, fragte man uns. Ich schüttelte den Kopf, weil für mich immer klar gewesen war, dass ich meinen Kindern das Schwimmen beibringe.
Konflikte sind alltäglich
Und bei dieser Einstellung blieb ich. Auch wenn alle sagten: Von mir würde er/sie sich das doch nicht richtig sagen lassen, oder: Das muss ihm schon jemand „richtig“ zeigen. Ich hatte meinem Sohn einige Zeit zuvor auch das Fahrradfahren beigebracht. Da war doch auch niemand auf die Idee gekommen, dass er einen Kurs machen sollte. Konflikte, oder Situationen, in denen er meint, es besser zu wissen, kann es beim Fahrradfahren ebenso geben wie beim Schwimmen. Und überhaupt: Gibt es die nicht ohnehin oft im Alltag? Wenn ich meinem Kind nicht mehr selbst etwas beibringen kann, weil ich Angst davor habe, dass es „nicht auf mich hört“, wie soll ich ihm dann später bei den Hausaufgaben – oder überhaupt durchs Leben – helfen?
Mein Mann ließ sich von dieser Stimmung anstecken, so wie ich das Gefühl habe, dass sich viele anstecken und verunsichern lassen. Doch ich blieb in diesem Punkt eisern. Das soll übrigens nicht heißen, dass Schwimmkurse keine Berechtigung hätten – im Gegenteil: Sie sind für viele Kinder sehr wichtig. Doch wir gehen alle häufig und gerne schwimmen, auch wir verbringen den Sommer am Meer oder See und mein Sohn liebt das Wasser. Deshalb sehe ich die Notwendigkeit nicht und finde die Tendenz, dass Kinder in allen möglichen Bereichen eine möglichst professionelle Förderung brauchen, auch wenn sie noch so viel kostet, und man sich selbst vieles gar nicht mehr zutraut, gelegentlich befremdlich. Mein Sohn übrigens hat in diesem Urlaub mit fünf Jahren die ersten freien Schwimmzüge gemacht und stürzt sich bei jedem Schwimmbadbesuch mit uns weiterhin mit Begeisterung ins Becken.